ConAct qualifiziert auch 2023 Fachkräfte der Jugendhilfe in Deutschland im Diskursprojekt „Sichtbar Handeln! Umgehen mit Antisemitismus in Jugend- und Bildungsarbeit“
Vom 19. bis zum 21. April widmeten sich 20 pädagogische Fachkräfte in Erfurt in Vorträgen, Workshops und methodischen Einheiten der Geschichte und Gegenwart von Antisemitismus in Deutschland. Die teilnehmenden Fachkräfte der Bildungs- und Jugendarbeit sind in ihrem Arbeitsalltag in unterschiedlichem Maße mit antisemitischen und israelfeindlichen Äußerungen konfrontiert. Die Teilnahme am Seminar soll ihre Sicherheit erhöhen, Erscheinungsformen und Funktionen antisemitischer Einstellungen zu erkennen und angemessen auf Antisemitismus reagieren zu können.
Aufbauend auf dem Vorwissen und den persönlichen Bezügen der Gruppe zum Thema standen unter anderem die langen Kontinuitäten antisemitischer Stereotype im Mittelpunkt des Programms. Dass junge jüdische Stimmen der mitunter klischeehaften Darstellung jüdischen Lebens im deutschen Film andere, eigene Perspektiven entgegensetzen, konnten die Teilnehmenden durch den Film „Masel Tov Cocktail“ und das anschließende Gespräch mit dem Regisseur erfahren. Die Beschäftigung mit jüdischem Leben wurde am Folgetag mit Besuchen der Ausstellungen in der Alten und in der Kleinen Synagoge von Erfurt vertieft. Im Rahmen eines Gesprächs mit einem Vertreter der jüdischen Landesgemeinde Thüringen erfuhr die Gruppe zudem, wie Jüdinnen und Juden in Erfurt beispielsweise Gottesdienst feiern, das Gemeindeleben gestalten und welche Ängste und Sorgen sie beschäftigen.
Beim Besuch des Erinnerungsortes „Topf & Söhne – die Ofenbauer von Auschwitz“ wurde für die Teilnehmenden zum einen ein alltäglicher Opportunismus im Nationalsozialismus und die Nähe von vermeintlicher Banalität und Verbrechen deutlich. Zum anderen ergaben sich daraus Fragen zur eigenen Familiengeschichte und zur eigenen Verantwortung, sich zur Shoah und zur NS-Zeit im Heute zu verhalten.
Mit dem Blick auf antisemitische Mythen, die in der jugendrelevanten Subkultur des Hiphops auftauchen, nahm „cultures interactive e. V.“ das Seminar in die Gegenwart des Antisemitismus mit. Mit der aktuell weit verbreiteten Erscheinungsform des israelbezogenen Antisemitismus setzten sich die Teilnehmenden im Workshop des Vereins „Bildung in Widerspruch“ auseinander. Im Zentrum der Arbeit an gegenwärtigen Beispielen stand auch hier die Frage „Wie und woran erkenne ich ihn?“ Bevor sich die Fachkräfte abschließend Handlungsoptionen zu antisemitischen Äußerungen und Vorfällen erarbeiteten, näherte sich die Gruppe unterstützt vom Verein BildungsBausteine mit großem Interesse der Geschichte des Nahostkonflikts.
Deutlich wurde der große Wissensbedarf der Teilnehmenden. Während der Seminarwoche konnten eigene Perspektiven durch die Aneignung von neuem Wissen zu Antisemitismus und jüdischem Leben sowie im Gespräch mit Kolleg*innen und Expert*innen hinterfragt werden. Zugleich wurden die Fachkräfte motiviert, sich Antisemitismus in ihrem pädagogischen Alltag entgegenzustellen. Die Begegnungsreise in die vielfältige Gesellschaft Israels im Herbst 2023 soll der Diskursgruppe erneut verschiedene Perspektiven aufzeigen und einen Austausch mit Fachkolleg*innen ermöglichen.